Von der Kreidetafel bis zum digitalen Unterricht

75 Jahre Finanzschule (jetzt Hochschule für Finanzen/Landesfinanzschule) des Landes Rheinland-Pfalz in Edenkoben

Schulgründung und Grundzüge der Entwicklung der beiden Schulen von 1950 bis 2025

Aufgrund eines Beschlusses des Ministerrates des Landes Rheinland-Pfalz im Dezember 1949 wurde 1950 in Edenkoben eine Finanzschule zur Ausbildung der Beamtinnen und Beamten des mittleren und des gehobenen Dienstes (heute 2. und 3. Einstiegsamt) der Steuerverwaltung errichtet. Im Gebäude des ehemaligen Bayerischen Rentamts und späteren Finanzamts in der Luitpoldstraße konnte am 17. April 1950 der Lehrbetrieb aufgenommen werden. Unter der Überschrift „Den Studierenden der in Edenkoben neu errichteten Finanzschule zum Gruß“ führte am 15.04.1950 das damalige lokale Wochenblatt „Der Geschäftsanzeiger“ aus: „ ... Abseits vom Großstadtgetriebe werden diese jungen Menschen neben der notwendigen Ruhe zum Studium auch jene romantischen Voraussetzungen finden, die nun einmal zum Leben tüchtiger Männer gehören: Berge, Burgen, Wald, Wein, geben sie nicht wie Heidelbergs romantische Herrlichkeit - wenn auch in bescheidenem Rahmen - das Niveau ab, auf dem sich gut studieren läßt?....“ Der erste Lehrgang – ein Inspektorenlehrgang - bestand aus 34 Teilnehmern, die von 3 Dozenten in 3 Lehrsälen unterrichtet wurden. Im Laufe der Zeit wuchs die Zahl der Lehrgangsteilnehmer kontinuierlich; ab 1957 wird auch der Steuerbeamtennachwuchs des Saarlandes in Edenkoben ausgebildet. Das beständige Wachstum bedingte mehrere bauliche Erweiterungen: 1962 bis 1965, ein moderner Anbau an das ehemalige Rentamt, mit dem nun 6 Lehrsäle und eine Aula zur Verfügung standen; 1972 bis 1974, ein Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Jugendarrestanstalt am Kurbrunnenweg, der nunmehr das Hauptgebäude der Schule darstellt, und Hinzunahme des daneben liegenden ehemaligen Amtsgerichts als Verwaltungsgebäude; 2009 bis 2011, Generalsanierung und Aufstockung des Hauptgebäudes unter Auslagerung des gesamten Schulbetriebs nach Neustadt; 2014 bis 2016, Sanierung des ehemaligen Rentamts mit Anbau. Nach den beiden letzten Baumaßnahmen genügen die Gebäude feuerschutztechnisch und in Sachen Barrierefreiheit modernen Ansprüchen bzw. seit 2011 sind alle Unterrichtsräume mit E-Tafeln, die einen modernen IT-gestützten Unterricht ermöglichen, ausgestattet. Doch damit nicht genug, aufgrund gestiegener Einstellungszahlen wurden ab 2019 zusätzliche Lehrsäle durch innergebäudliche Baumaßnahmen geschaffen. Im Gegensatz zu den bescheidenen Anfängen werden in 2025 in 3 Gebäuden mit u. a. insgesamt 21 Lehrsälen und 2 PC-Schulungsräumen monatlich über 600 Beamtenanwärter/innen von neben dem Direktor nach Köpfen insgesamt 57 Unterrichtenden und 20 Angehörigen der Verwaltung betreut. Der Frauenanteil liegt seit vielen Jahren bei der Anwärterschaft erheblich über 50 %, bei Unterrichtenden und Verwaltung um die 40 %.

Die „Finanzschule“ entwickelt sich nicht nur räumlich und personell weiter

1981 erfolgte die Aufteilung der bisherigen Finanzschule in Fachhochschule für Finanzen (FHFin) für die fachtheoretischen Studien des gehobenen Dienstes und Landesfinanzschule (LFS) für die fachtheoretische Ausbildung des mittleren Dienstes. Aus der FHFin wurde ab dem 01.02.2015 die Hochschule für Finanzen (HFin). Die beiden Schulen blieben allerdings in den Räumen der bisherigen Finanzschule und werden bis heute verwaltungsmäßig einheitlich von den Bediensteten der Schulverwaltung betreut und vom Direktor der Hochschule/Leiter der Landesfinanzschule in Personalunion geführt. Auch wird die ganze Infrastruktur, z. B. Bibliothek, Mensa, von beiden Schulen genutzt.

Doch nicht nur der Status veränderte sich, auch die Lehrinhalte und die Gestaltung von Studium und Ausbildung waren permanentem Wandel unterworfen. Besonders zu erwähnen sind die grundlegenden Änderungen des StBAG und der StBAPO auf den 01.07.1977 und 01.07.2002, die zum einen Fachhochschulstatus und verlängerte theoretische Ausbildungszeiten und zum anderen erweiterte und modernisierte Fächerkataloge brachten. Ziel der Ausbildung ist nach wie vor im Verbund mit der praktischen Ausbildung an den Finanzämtern für beide Laufbahnen die Erlangung der Berufsbefähigung. Seit 2002 gehören auch die sog. Softskills unter der Bezeichnung ASV/SGV zum Fächerkanon. Bei beiden Laufbahnen steht am Ende der Ausbildung eine Laufbahnprüfung mit einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Die gefühlten Highlights sind danach die Diplomierungsfeier, die von 1989 bis 2005 auf dem Hambacher Schloss und seit 2008 in der Jugendstilfesthalle Landau stattfindet, und die Abschlussfeier des mittleren Dienstes, die ab 2003 im Kurpfalzsaal der Stadt Edenkoben und nun seit ein paar Jahren auch in der Jugendstilfesthalle ausgerichtet wird. Die beiden Schulen sind auch seit langer Zeit mit aktiven Parts in die Fortbildung der Finanzverwaltung eingebunden. Weiterhin besteht seit 1987 eine Kooperation mit dem Justizministerium, die Hochschule wirkt am 2. juristischen Staatsexamen mit und bestreitet Fortbildungen für Richter und Staatsanwälte.

Hören Sie sich gerne die Podcast Episode zum Jubiläum an:

75 Jahre Finanzschule

75 Jahre HFin und LFS – definitiv ein Grund zum Feiern!

Wir machen eine kleine Reise durch die Geschichte der beiden Schulen, in der schon seit 1950 Finanzbeamte ausgebildet werden. In 75 Jahren tut sich so einiges – baulich, steuerrechtlich und didaktisch. Zu Gast ist Rita Spönlein, die selbst jahrzehntelang an der Hochschule Dozentin war und darüber hinaus einiges geleistet hat, um die Schule in Edenkoben voranzubringen.

Die Hochschule/Landesfinanzschule nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung

Auch die gemeinschaftsbildenden Faktoren innerhalb und außerhalb des Unterrichts kamen und kommen nicht zu kurz. Dazu gehören die seit vielen Jahren üblichen Studienfahrten nach Berlin, Straßburg oder Karlsruhe und ein Studierendenaustausch mit der französischen Finanzverwaltung. Viele der Leser und Leserinnen können sich noch an Großveranstaltungen wie Faschings- und Sportfestball und Sportfest erinnern mit mehrtägigem Dekoteameinsatz. Nach der Generalsanierung sind solche Events leider nicht mehr möglich. An deren Stelle sind jetzt eine jährliche Schulnacht mit Hobbyausübung in allen Räumen, eine Winterwanderung, ein Sommerfest auf dem Schulgelände und an Weiberfastnacht eine von den Anwärterinnen und Anwärtern gestaltete Karnevalsitzung getreten. Seit 2001 gibt es ein Kulturprogramm mit i. d. R. jährlich 2 Konzerten bzw. Autorenlesungen, die sich nicht nur an die Schulgemeinschaft, sondern auch an die Bewohner der Region wenden. Nicht zu vergessen der Schulchor und die Projektgruppe Auja, die Diplomierungsfeier, Abschlussfeier und Adventsfeier musikalisch gestalten, die unterschiedlichen Sportgruppen und die vielen Lehrsaalausflüge. Zusätzlich wurde auch eifrig für soziale Einrichtungen und Stiftungen in Edenkoben gespendet und seit einigen Jahren erfreuen Theateraufführungen der Unterrichtenden im zweijährigen Turnus die Schulgemeinschaft. Auch an die Gesundheit der Anwärterschaft und des Personals ist gedacht mit einem 2004 eingerichteten, mit Profigeräten ausgestatteten Fitnessraum und dem Angebot wechselnder Fitnesskurse.

Und plötzlich waren die Schulgebäude menschenleer, Corona 2020 bis 2023

Das unsere Gesellschaft noch immer prägende Ereignis, die Corona-Pandemie, ging auch an den beiden Schulen in Edenkoben nicht spurlos vorbei. Am 04.03.2020 noch eine Schulnacht, am 16.03.2020 Anordnung des ersten Shutdowns, der das soziale Schulleben zum Erliegen brachte, aber nicht die Ausbildung. In Windeseile wurden von Verwaltung und Unterrichtenden neue Strukturen und Unterrichtsformate entwickelt, um den bis 07.04.2023 laufenden Corona-Schutzmaßnahmen Genüge zu tun. Masken- und Meldepflichten bei Erkrankung, Desinfektionsstationen, Einbahnregelungen auf den Schulfluren, Wechselschichten in den Lehrsälen, Digitalunterricht und Homeoffice für das Verwaltungspersonal prägten nun das Bild der Schulen. Die digitale Lehre bzw. Hybridformen des Unterrichts mit Präsenz- und Digitalteilen wurden Alltag und haben sich in abgespecktem Umfang in den Nach-Coronazeiten erhalten.

Moderne Bildungsstätten am Puls der Zeit

Digitale Lehre ist natürlich nicht ohne Ausbau der digitalen Strukturen möglich, so z. B. die Aufstockung des mit der digitalen Infrastruktur betrauten Personals in der Verwaltung, zusätzlichem Equipment für die Schulen und die dort Tätigen und ab 2023 die Ausstattung der Anwärterschaft mit Tablets. Um u. a. die Nachwuchsgewinnung und die Betreuung der Anwärterschaft mit den Ausbildungsstätten besser zu verzahnen wurde das Ausbildungsreferat des Landesamtes für Steuern von Koblenz nach Edenkoben verlagert. Auch werden für die Kommunikation innerhalb der Finanzverwaltung und nach außen die modernen technischen Möglichkeiten genutzt, so gibt es einen HFin Cast, der sich mit Entwicklungen an den Schulen und in der Finanzverwaltung beschäftigt; auch Social-Media-Kanäle (z. B. Instagram, Youtube, TikTok) werden bespielt, um die Schulen und die Schulaktivitäten nicht nur beim Personal der Finanzverwaltung, sondern auch bei potentiellen Bewerberinnen und Bewerbern bekannt zu machen. Nicht zu vergessen die Homepage und die Edel-App, die wichtige Infos zum Schulalltag bereithalten. Die Hochschulplattform ILIAS, die schon ab 2017 genutzt wird, spielt inzwischen auch in Edenkoben bei Organisation und Unterricht eine entscheidende Rolle, so z. B. für Anmeldeverfahren, Infos zu Schulinterna, Unterrichtsmaterial. Was früher im Unterricht in Papier ausgegeben wurde, steht jetzt über ILIAS für die Anwärterschaft zum Download zur Verfügung.

75 Jahre, einst und heute

Zum Schluss noch ein paar Anmerkungen zu den Veränderungen in 75 Jahren. 1950, Nachkriegszeit mit Mangel auf allen Gebieten des täglichen Lebens (erst 1950 wurden die Lebensmittelmarken abgeschafft), die Bundesrepublik war gerade 1 Jahr alt, Theodor Heuß war Bundespräsident und Konrad Adenauer Bundeskanzler; Fernsehen für die Allgemeinheit gab es noch nicht, aber vereinzelt öffentliche Telefonzellen. Zwischen 1950 und 2025 vom sog. Wirtschaftswunder in den 50ern über Mauerbau und nach Jahrzehnten deren Fall, Wiedervereinigung (die beiden Schulen bildeten in den 90er Jahren auch 5 Jahre lang für das Land Mecklenburg-Vorpommern aus), viele überstandene Krisen, auch die Corona-Pandemie, wachsenden Wohlstand, gesellschaftliche Veränderungen (z. B. auch bezüglich der Stellung der Frau), Globalisierung und Digitalisierung (im Schulalltag Beginn 1984 mit einem Datensichtgerät, heute eigenes W-Lan, etwa 220 ThinClients, Laptops, I-Pads in Verwaltung und Unterrichtendenbereich und im Herbst 2025 etwa 400 Tablets und bei Vollausstattung aller Lehrgänge im Herbst 2026 über 600 bei der im Haus weilenden Anwärterschaft) und damit zusammenhängend der Siegeszug des Smartphones. Das alles haben die beiden Schulen und die hier zu den jeweiligen Zeiten beschäftigen, lehrenden und lernenden Menschen miterlebt. Vieles hatte Auswirkungen auf das Steuerrecht und das gesellschaftliche Miteinander und damit auf Ausbildung und Lehre. Vor 75 Jahren Beginn mit Präsenz-Unterricht und Kreidetafel, heute digital gestützter Unterricht in Präsenz und/oder Fernunterricht mit E-Tafeln in den Lehrsälen, dienstlich mit Tablets ausgestatteten Studierenden/Auszubildenden und Videokonferenzen. Die Geburtstagskinder haben schon einiges erlebt und gemeistert und werden es weiter meistern.